Die Römische Villa Nennig ist vor allem durch ihren spektakulären Mosaikfußboden bekannt.
Die Römische Villa Nennig ist vor allem durch ihren spektakulären Mosaikfußboden bekannt.
Das gut 160 Quadratmeter große Kunstwerk besteht aus rund drei Millionen Steinchen und gilt als größtes erhaltenes Fußbodenmosaik nördlich der Alpen.
Die Bilder geben einen fast filmischen Blick auf das Tagesprogramm im römischen Amphitheater. Im folgenden Abschnitt erzähle ich die Darstellungen detailliert und verweise auf offizielle Quellen.
Aufbau und Gesamtgestaltung des Mosaiks
Der Mosaikboden ist wie ein Teppich über schwarze und weiße „Marmorfliesen“ ausgelegt.
Er besteht aus einem rechteckigen Zentralbild, einem eingelassenen Marmorbecken und sechs achteckigen Medaillons.
Ein siebtes Oktogon, das ursprünglich ein weiteres Bild enthielt, wurde bereits in der Antike durch eine Inschrift ersetzt. Geometrische Ornamente – Rautensterne, Rechtecke, Trapeze und Quadrate – rahmen die Szene ein.
Durch diese strenge Gliederung wirkt das Mosaik wie ein gewebter Teppich.
Die Ausgrabungen zeigen, dass der Mosaiksaal Teil einer 140 Meter langen Palastvilla war.
Zwei seitliche Flügel und eine 250 Meter lange Wandelhalle führten zum Badegebäude.
Die Villa bot luxuriöse Wohnräume, Sommerzimmer mit Wasserbecken, Winterräume mit Fußbodenheizung, Parks und Grotten. All das illustriert den Reichtum römischer Großgrundbesitzer an der Mosel.
Detaillierte Darstellung der einzelnen Bilder
1. Unbekanntes erstes Medaillon
Das erste achteckige Bildfeld, zu dem der antike Besucher beim Eintritt gelangte, ist verloren.
Einmal entfernt, ersetzte man es durch eine Inschrift, die an die Entdeckung (1852) und Restaurierung (1874, 1960) des Mosaiks erinnert.
2. Tierkämpfe am Morgen
Die Gladiatorenspiele begannen morgens mit Tierkämpfen. Links neben dem Marmorbecken zeigt ein Medaillon den ungleichen Kampf eines Tigers gegen einen Wildesel.
Die Szene verdeutlicht die brutale Unterhaltung am Beginn des Spektakels.
Rechts vom Becken erkennt man das Ende einer Raubtiermahlzeit: Ein Wärter versucht, einen wütenden Löwen von einem Eselskopf wegzudrängen.
Das Bild nimmt direkt Bezug auf den Fund 1852, als ein Bauer als erstes Motiv einen Löwen entdeckte.
3. Zirkusnummer mit dressierten Tieren
An das Marmorbecken schließt sich ein Medaillon an, in dem drei Personen mit Peitschen einen Bären zu zirzensischen Kunststücken antreiben. Römer liebten solche „Tierdressuren“ als Zwischenakt vor den eigentlichen Kämpfen.
4. Tierhetzen mit Waffen
Nach der Zirkusnummer folgten Tierhetzen, bei denen speziell ausgebildete Kämpfer Jagdspeere einsetzten.
Im Medaillon rechts vom Hauptbild präsentiert ein Kämpfer stolz einen von ihm erlegten Panther. Dieses Bild illustriert den Übergang vom „harmlosen“ Tierkampf zu den blutigen Jagdszenen.
5. Unblutiger Schaukampf
Links vom Pantherbild ist ein unblutiger Schaukampf mit „ungefährlichen“ Waffen dargestellt. Solche Stab- und Peitschenkämpfe dienten der Unterhaltung vor dem entscheidenden Gladiatorenduell.
Laut dem Römer‑Tour‑Portal handelt es sich um zwei Gladiatoren, die mit Stock und Peitsche gegeneinander antreten.
6. Hauptszene: Gladiatorenkampf
Im Zentrum des Mosaiks, in einem rechteckigen Feld, kämpfen zwei Gladiatoren auf Leben und Tod.
Der eine ist ein retiarius (Netzkämpfer) mit Dreizack, kurzem Dolch und Netz; der andere ein secutor (Schildkämpfer) mit großem Schild und kurzem Schwert. Ein Schiedsrichter beobachtet die Szene aufmerksam. Dieses zentrale Bild zeigt das dramatische Finale der Spiele.
7. Zirkusnummer mit drei Gladiatoren und einem Bären
Ein weiteres achteckiges Feld (ganz oben links auf dem Mosaik) zeigt drei Gladiatoren, die einen Bären mit Peitschen und Stöcken attackieren.
Das Römer‑Tour-Portal beschreibt diese Szene als Kampf dreier Gladiatoren mit einem Bären. Sie illustriert, dass manchmal mehrere Kämpfer gegen ein Tier antraten.
8. Musikanten
Das letzte erhaltene Medaillon zeigt zwei Musikanten – einen Trompeter und einen Organisten, der eine Hydraulis spielt. Die Hydraulis war eine wasserbetriebene Rohrorgel und gilt als Vorläufer der heutigen Kirchenorgel. Musik begleitete die Spiele, um das Publikum zu unterhalten und dramatische Momente zu untermalen.
9. Marmorbecken
Zwischen den Bildfeldern liegt ein marmornes Brunnenbecken, das mit Platten eingefasst ist. Im Original flossen hier vermutlich Wasserströme, die für Kühlung und Akustik sorgten. Dieser Brunnen war integraler Bestandteil des Mosaiksaales.
Historischer Hintergrund des Mosaiks
Im Jahr 1852 entdeckte ein Landwirt beim Graben die Mosaiksteine mit der Darstellung eines Löwen. Die Gesellschaft für Nützliche Forschungen in Trier organisierte daraufhin die Freilegung und ließ bis 1854 einen Schutzbau errichten. Zwischen 1866 und 1876 legten Archäologen die Grundmauern der 600 Meter langen Villa frei. 1874 entstand der heute noch bestehende Schutzbau.
Die Restaurierung von 1960 bestätigte, dass das Mosaik im frühen 3. Jahrhundert entstanden ist. Am 7. Juli 1962 berichtete die Abendschau des Saarländischen Rundfunks über die Einweihung des restaurierten Mosaiks – ein Ereignis, das die Bedeutung des Fundes in der damaligen Öffentlichkeit widerspiegelt.
Bedeutung als archäologische Stätte und beliebtes Ausflugsziel
Die Römische Villa Nennig ist keine bloße Replik, sondern ein echter archäologischer Fundplatz. Sie wird von der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz und der Tourismuszentrale Saarland betreut. Besucher:innen können das Mosaik von einer Galerie aus betrachten; das Betreten des Bodens ist aus konservatorischen Gründen nicht erlaubt. Im benachbarten Museumsgebäude laufen Multimedia-Präsentationen und eine dreidimensionale Rekonstruktion der Gesamtanlage.
Die Villa ist Teil des Netzwerks Straßen der Römer, zu dem auch die rekonstruierte Römische Villa Borg gehört. Während Borg ein lebendiges Museumsdorf mit Therme, Küche und Taverne ist, bietet Nennig das seltene Erlebnis, ein vollständig erhaltenes originales Gladiatorenmosaik am Fundort zu sehen. Daher werden beide Orte häufig in einem Atemzug genannt; viele Reisende kombinieren die Besuche.
Wer das Mosaik aus nächster Nähe betrachten möchte, kann dies das ganze Jahr über zu bestimmten Öffnungszeiten tun. Die Stiftung weist darauf hin, dass das Mosaik von April bis Oktober täglich geöffnet ist (10–18 Uhr) und es ermäßigte Eintrittspreise gibt. Die Adresse lautet Römerstraße 11, 66706 Perl-Nennig.
Hinweise zu Bildern und weiteren Quellen
Auf den offiziellen Seiten (perlsaarschleifenland.de, roemer-tour.de) und im Saarland-Lese-Artikel gibt es umfangreiche Bilder: Fotografien des Mosaiks, Aufnahmen vom Schutzbau und historische Zeichnungen. Der Saarland-Lese-Beitrag zeigt u. a. den Kampf eines Tigers mit einem Esel, einen Wärter, der einen Löwen abwehrt, und einen Speerkämpfer, der einen Panther erlegt. Diese Fotos helfen, die Szenen zu visualisieren und vermitteln einen Eindruck von der bildgewaltigen Darstellung.
Für einen tieferen Einstieg lohnt sich die Lektüre der Informationstafel „Römisches Mosaik in der Römischen Villa Nennig“ vor Ort oder online. Sie fasst die wichtigsten archäologischen Fakten zusammen, weist auf die strenge Geometrie des Mosaiks hin und erklärt, dass das Mosaik im 3. Jahrhundert datiert wird. Außerdem erwähnt die Tafel den benachbarten Grabhügel „Mahlknopf“, der mit einem Durchmesser von 40 Metern ebenfalls römischen Ursprungs ist.
Fazit:
Das Gladiatorenmosaik der Römischen Villa Nennig ist eine einzigartige Quelle zur römischen Unterhaltungskultur. Mit seinen detaillierten Darstellungen von Tierkämpfen, Zirkusnummern, Gladiatorenduellen und Musikanten bietet es einen nahezu filmischen „Storyboard“ eines Kampftages im Amphitheater. Die Kombination aus strenger geometrischer Gliederung und lebendigen Szenen macht den Mosaikteppich zu einem Meisterwerk römischer Kunst. Zusammen mit der imposanten Villa, dem Schutzbau von 1874 und der virtuellen Rekonstruktion vermittelt Nennig eindrucksvoll das Lebensgefühl römischer Eliten an der Mosel.
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