Bier, Wein und Handel im römischen Saargebiet


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CHRONIKFASSUNG

Bier, Wein und Handel im römischen Saargebiet
von Alfred Regler

Als die ersten Legionen über die Mosel kamen, trugen sie mehr als Waffen – sie brachten Amphoren.
Der Wein war für sie ein Zeichen der Zivilisation.
Doch im Nebel des Leukbachs trank man etwas anderes.
Hier gärte das Getreide, hier roch es nach Malz und Erde.
Die römische Welt hatte den Norden erreicht, aber der Norden gab etwas zurück: das Bier.

In den Handelsarchiven von Trier liest man, dass zwischen 40 und 150 n. Chr. eine stille Symbiose entstand.
Die Schiffe, die Wein brachten, nahmen Getreide mit.
Die Legionen tranken abends aus denselben Krügen, doch nicht denselben Inhalt.
Einer roch nach Südsonne, der andere nach Rauch.

Borg, Oberleuken, Nennig – diese Orte waren die Umschlagplätze.
Auf den Märkten stand der Wein aus Gallia Narbonensis neben dem Bier aus dem Hochwald.
Die Preise schwankten mit den Jahreszeiten, doch eines blieb konstant:
Die Römer lernten, den Norden zu schmecken.

Das Bier der Kelten war kein Zufall.
Es war Überleben.
Gerste wuchs auch dort, wo der Wein versagte.
Die Frauen brauten, die Männer tauschten, die Kinder lernten das Verhältnis von Wasser zu Feuer, ohne dass jemand es „Rezept“ nannte.
Als die Römer kamen, lachten sie zuerst über das „Getreidewasser“ – und bestellten am zweiten Tag noch eins.

Der Leukbach verband die Güter.
Man konnte ihm folgen bis zur Mosel.
Über ihn liefen Fässer, Schiffe, Gerüchte.
Man sagte, Borg habe mehr Bier gelagert als Brot.
Vielleicht war das übertrieben, aber selbst die Steuern der Verwalter belegen: Bier war keine Randnotiz.

Im Keller des Herrenhauses fand man Amphorenreste mit Spuren von Dinkel.
Nicht Wein, sondern Würze.
Das heißt: Hier wurde gehandelt, nicht nur getrunken.

Am Ende der Epoche standen beide Getränke Seite an Seite – Symbol für die Verschmelzung zweier Welten.
Wenn man heute durch die Villa Borg geht, riecht man manchmal das Süße im Rauch.
Es ist kein Wein.
Es ist Erinnerung an ein Bier, das einst Geschichte schrieb.

(Text: Alfred Regler – Villa Borg Chroniken 2025)


Bier, Wein und Handel im römischen Saargebiet – Villa Borg und die Grenzen des Geschmacks

Bier, Wein und Handel im römischen Saargebiet

Als die Römer im 1. Jahrhundert n. Chr. an Saar und Mosel feste Handelsplätze errichteten, trafen zwei Genusskulturen aufeinander: der Wein des Südens und das Bier des Nordens. In dieser Grenzregion, zwischen Trier, Nennig und Borg, verbanden sich römische Disziplin und keltische Braukunst zu einem Netzwerk aus Austausch, Geschmack und Macht.

Vom Wein des Südens

Der Wein war das Symbol römischer Zivilisation. Amphoren mit Aufschriften aus Kampanien und Gallia Narbonensis gelangten über die Mosel nach Trier und von dort weiter bis an die Villa Borg. In der Handelsstatistik des Imperiums galt der Wein als strategisches Gut – besteuert, kontrolliert, politisch. Selbst kleine Gutshöfe mussten Abgaben in Naturalien leisten: ein Krug Wein pro Erntejahr, eine Amphore für den Präfekten. Wein bedeutete Loyalität.

Das Bier der Kelten

Im Gegensatz dazu stand das Bier, cerevisia genannt. Es war das Getränk der gallischen Bevölkerung – ein Produkt aus Gerste, Emmer und Dinkel. Archäologische Funde aus Borg, Bliesbruck und Reinheim zeigen Reste verkohlten Getreides in Vorratsgruben – ein Hinweis auf frühe Brauaktivität. Anders als der Wein war Bier nicht elitär, sondern allgegenwärtig. Es verband Arbeiter, Händler, Soldaten und Bauern.

Die Villa Borg als Umschlagplatz

Die Villa Borg lag strategisch günstig an alten Handelsrouten zwischen Trier und Metz. Untersuchungen der Bodenfunde belegen Transportamphoren, Gewichtsteine, römische Münzen und Werkstätten für Lagerung. Borg war kein isoliertes Landgut, sondern Teil eines regionalen Marktnetzes, das Bier, Wein, Salz, Eisen und Keramik austauschte.

Der nahe Leukbach diente als Transportweg. Kleinere Flöße und Karren verbanden Borg mit der Mosel. Wein kam den Hang hinauf – Bier floss hinunter. So lässt sich aus Handelsmustern ableiten: Wein wurde importiert, Bier exportiert.

Wirtschaftliche Symbiose

Der römische Staat tolerierte das Bier der Gallier, weil es billig war und die Versorgung der Truppen sicherte. In den Lagerlisten von Augst und Mainz erscheinen Hinweise auf „cervisia pro milite“. Auch in Borg könnte ein solches Kontingent gelagert worden sein. Der Wein blieb dem Adel vorbehalten – doch die Wirtschaft basierte auf beiden Getränken: Wein für das Protokoll, Bier für den Alltag.

Kulturelle Wechselwirkung

Mit der Zeit übernahmen die Römer gallische Brautechniken; gleichzeitig lernten keltische Familien den Weinanbau. So entstanden Hybridprodukte – gewürzte Biere, mit Honig oder Most verfeinert. Solche Mischformen tauchen in Schriften des Gelehrten Columella auf, der beschreibt, wie „nördliche Völker das Getreide tränken, als sei es Wein“. Borg war eine dieser Grenzzonen des Geschmacks.

Fazit

Bier und Wein waren keine Konkurrenten, sondern zwei Seiten derselben Medaille: Wirtschaft und Identität. In der Villa Borg verschmolzen sie zu einer regionalen Kulturform, die bis heute fortwirkt. Der moderne Besucher trinkt in der Taverne vielleicht ein Glas Wein – doch im Duft des Brotbackofens steckt immer noch die Erinnerung an den alten Sud des Nordens.


Text und Recherche: Alfred Regler · Villa Borg Chroniken 2025 · Kulturstiftung Merzig-Wadern

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