Villa Borg Gazette
Villa Borg Gazette – Die Bürokratie braut mit
von Alfred Regler
Im Wirtschaftsgebäude der Villa Borg steht kein Kessel mehr, sondern ein Aktenschrank.
Darin gärt, was in Deutschland wirklich brodelt: Formulare.
Jedes Blatt trägt ein Datum, eine Unterschrift und den Nachweis, dass Geschichte nur dann Geschichte ist, wenn sie genehmigt wurde.
Der Versuch, in Borg ein römisches Bier zu rekonstruieren, begann heroisch: Feuer, Wasser, Getreide, Wissen.
Er endete in einer E-Mail-Schleife.
Ein Mitarbeiter der Kulturstiftung schrieb an das Landesamt:
„Wir beabsichtigen, ein Experiment gemäß archäologischer Quellenlage durchzuführen.“
Die Antwort kam prompt:
„Bitte reichen Sie die Genehmigung des beabsichtigten Vorhabens zwecks Prüfung des Genehmigungserfordernisses nach.“
So wurde aus Brauen Bürokratie.
Der Brandmeister wollte eine Funkenanalyse,
die Lebensmittelkontrolle verlangte ein Hygiene-Protokoll für einen Sud, der 2000 Jahre alt war,
und die Steuerfahndung fragte, ob das Produkt verkaufsfähig sei – „theoretisch oder praktisch“.
Die Archäologen sagten: „Eher metaphysisch.“
Daraufhin verwies man sie an die Abteilung für Glaubensfragen.
Ein Tagungsprotokoll vermerkt:
„Projektziel unklar, aber ambitioniert. Bier wird im Haushalt nicht erwartet, jedoch gefühlt.“
Schließlich reichte man 27 Dokumente ein, um zu beweisen, dass kein Alkohol ausgeschenkt werden sollte.
Man durfte dann doch, aber nur symbolisch: Ein Tropfen pro Teilnehmer.
Manche sagten, das sei die römischste Geste überhaupt – viel Pathos, wenig Inhalt.
Am Ende entschied das Ministerium:
„Der Versuch ist förderfähig, sofern kein Genuss entsteht.“
Die Gazette fasst zusammen:
Im Reich der Formulare lebt der Geist der Römer fort – nicht in den Amphoren, sondern in den Akten.
Und während draußen der Leukbach rauscht, gärt drinnen der Papierstapel.
Er blubbert, leise, beharrlich, bis ein neuer Antrag geboren wird.
(Text : Alfred Regler – Villa Borg Gazette 2025)
Villa Borg Gazette – Die Bürokratie braut mit
Neulich wurde in der Villa Borg kein Bier gebraut, sondern ein Antrag. Ein Antrag auf Erlaubnis, einen Antrag zu stellen, um die Genehmigung zum Brauen zu prüfen. Das Formular trug den Titel „Cerevisia-Kontroll-Verordnung Abschnitt II – Kleingärversuchsbewilligung“. Man füllte es mit Feder, Herzblut und einer Portion Sarkasmus aus.
Der Amtsschimmel im Sudhaus
Schon die Römer kannten Verwaltung. Doch was sich heute „Interkommunale Koordinierungsstelle für archäologische Braureplikationen“ nennt, hätte selbst Kaiser Hadrian zur Kapitulation gebracht. Fünf Behörden, drei Stempel, eine Taste für „Eingang bestätigen“. Das Feuer durfte erst entzündet werden, nachdem ein Brandschutzbeauftragter den Funken geprüft hatte.
Ein Beamter erklärt die Antike
„Was Sie da tun“, sagte der Prüfer vom Amt für Verbraucherschutz, „fällt unter das Lebensmittelrecht.“ Der Museumsleiter nickte ergeben. „Aber wir rekonstruierten lediglich eine 2000 Jahre alte Kulturtechnik.“ – „Eben“, antwortete der Prüfer. „Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist abgelaufen.“
Das Labor und die Legende
In der Zwischenzeit diskutierten Archäologen über den Begriff „Römersud“. Das Finanzamt wollte wissen, ob er steuerlich als Bier, Trank oder Forschungsergebnis zu deklarieren sei. Man entschied sich für Kategorie D: „historisches Risiko mit Rest-Alkoholgehalt“.
Das Fazit der Gazette
Die antike Brauerei hätte nie existieren können, hätte sie einen Antrag stellen müssen. Doch die Villa Borg beweist: Auch Papier kann gären – es blubbert, wenn man es zu lange liegen lässt. Der Römersud mag noch nicht auf dem Markt sein, aber seine Formulare stehen kurz davor, ein UNESCO-Erbe zu werden.
Text: Alfred Regler · Villa Borg Gazette 2025 · Kulturstiftung Merzig-Wadern

Kommentare