Technischer Bericht: „Brautechnik, Gärung und Ökologie in der Villa Borg“
Brautechnik, Gärung und Ökologie in der Villa Borg – Die römische Bierkultur im Norden
In den römischen Provinzen nördlich der Alpen war Bier kein Randphänomen, sondern Teil der alltäglichen Ernährung. Während der Süden des Imperiums auf Wein schwor, gebrauten die Menschen entlang der Mosel und der Saar ihre eigenen Gärgetränke – mit lokalen Zutaten, sauberem Wasser und erstaunlicher technischer Präzision. Die Villa Borg liefert hierzu anschauliche Belege aus Archäologie, Experiment und Umweltforschung.
Wein als Leitkultur – Bier als Überlebenskultur
Die Römer, auch jene in den Provinzen, bevorzugten grundsätzlich Wein. Dies belegen zahllose Funde von Amphoren und Importen im gesamten Römischen Reich. Doch in den nördlichen Regionen, wo das Klima kühler und der Weinbau schwieriger war, gab es archäologische Hinweise auf Bierproduktion. Ob die römischen Bewohner selbst häufiger zum Bierkrug statt zum Weinpokal griffen, bleibt Spekulation – ebenso die Frage, ob Bier in den nördlichen Provinzen Teil der Militärrationen war. Ein Schreibtäfelchen aus Vindolanda erwähnt immerhin eine Nachschublieferung von Bier: ein seltener, aber aufschlussreicher Beleg.
Bier – der Wein der Armen
Überliefert ist, dass der Preis von Bier in den verschiedenen Provinzen stark schwankte. In Vindolanda erhielt man im 1. Jahrhundert n. Chr. für einen Sesterz 27,5 Liter Bier, in Hermopolites 72 Liter, in Tebtynis nur 8,7 Liter. Bier war damit zwei- bis viermal billiger als der schlechteste Wein – der Grund, warum es oft als „Wein der Armen“ bezeichnet wurde.
Mit dem Ende der flavischen Zeit nahm der Import von Weinamphoren ins Rheinland deutlich ab. Das mag damit zusammenhängen, dass die Legionen zunehmend aus nichtrömischen Soldaten bestanden, die an Bier gewöhnt waren. Der Markt für Wein schrumpfte; das Bier, regional produziert und sofort konsumiert, trat an seine Stelle.
Vom Südwein zum Nordbier – eine kulturelle Umkehr
Der Archäologe Clive Bridger vermutete, dass nicht die lokale Bevölkerung das Getränk der römischen Besatzungsmacht übernahm, sondern umgekehrt die Römer das Bier der Einheimischen. Damit wurde cervisia zum Symbol einer kulturellen Anpassung. In der Villa Borg und anderen Gutshöfen finden sich Reste von Braugefäßen, Darreton, verkohltem Getreide und Kräuterpollen – stille Zeugen einer vergorenen Alltagskultur.
Römische Biersorten
Die Römer kannten verschiedene Arten von Bier, deren Namen sich regional unterschieden:
- zythum – ägyptisches Gerstenbier
- caelia / cerea – spanisches Weizenbier
- camum – dalmatisches Gerstenbier
- sabaia – Gersten- oder Weizenbier, teils gallisch
- cervesa – gallisches Bier, typisch für Germanien
Für das römische Germanien sind insbesondere die Begriffe cervesia bzw. cervis(i)a und camum belegt. In Gallien, Spanien und Norditalien – also in keltisch geprägten Regionen – war Bier eine Selbstverständlichkeit. Es wurde ohne Hopfen gebraut, dafür mit Kräutern und Baumrinden aromatisiert.
Die Herausforderung der Haltbarkeit
Vor der Entdeckung der konservierenden Wirkung des Hopfens war Bier ein instabiles Produkt. Der Alkoholgehalt lag weit unter dem von Wein, die Lagerfähigkeit war begrenzt. Plinius der Ältere erwähnt, dass die Spanier eine Methode kannten, Bier länger haltbar zu machen, ohne jedoch die Technik zu erklären. In nördlichen Regionen war die Lösung pragmatisch: Man braute frisch und lokal, trank das Bier jung und stellte regelmäßig neuen Sud her.
Kräuterzusätze und regionale Vielfalt
Um Geschmack und Haltbarkeit zu verbessern, wurden verschiedene Kräuter beigegeben. Archäobotanische Funde von der niederländischen Küste belegen den Einsatz von Gagel (Myrica gale) bereits in der frühen römischen Periode. Weitere Zusätze waren Eichenrinde, Myrte, Mädesüß und Johanniskraut. Diese Mischung verlieh dem Bier eine aromatische, oft leicht medizinische Note – typisch für die Provinzen.
Da das Bier nicht transportfähig war, muss man davon ausgehen, dass es meist direkt am Ort der Herstellung konsumiert wurde – in Haushalten, Werkstätten, Garnisonen und auf Gutshöfen wie Borg. Das Bier war somit ein lokales Lebensmittel, kein Exportgut.
Die Rohstoffe: Getreide und Umwelt
Gerste war das wichtigste Getreide der antiken Braukunst, doch auch triticum (Nacktweizen), Hirse, Hafer, Einkorn (olyra) und Vogelhirse wurden genutzt. Manchmal nutzte man sogar Brot als Ausgangsmaterial: aus zerbrochenen Gersten- oder Weizenfladen wurde ein gärfähiger Brei hergestellt – eine Methode, die aus Ägypten bekannt ist und sich offenbar auch im Norden hielt.
Herstellung – vom Korn zum Trank
Der Prozess der antiken Bierherstellung lässt sich in mehreren Schritten rekonstruieren:
- Keimung: Das Getreide wurde befeuchtet, bis es austrieb. Dabei wandelte sich Stärke in Zucker um.
- Darren: Der Keimvorgang wurde durch Erhitzen in einer Darre unterbrochen – ein empfindlicher Vorgang, der häufig zu verkohlten Körnern führte (viele archäologische Belege).
- Mischen und Maischen: Das Malz wurde in warmem Wasser verrührt und langsam erhitzt. Kräuter oder Brotstücke konnten zugegeben werden.
- Gärung: Unter Beteiligung natürlicher Hefen vergor der Zucker zu Alkohol. Da kein Hopfen verwendet wurde, war das Bier obergärig, mild und kurzlebig.
Soziale Rolle und Geschlechterverteilung
Mehrere antike Quellen erwähnen, dass Bierbrauen – wie das Brotbacken – zu den Aufgaben der Frauen gehörte. In den ersten Jahrhunderten n. Chr. dürfte die Produktion überwiegend häuslich organisiert gewesen sein. Die Villa Borg mit ihren großen Küchen, Speichergebäuden und Werkstätten hätte dafür ideale Bedingungen geboten: Nähe zum Wasser, Feuerstellen, Vorratsräume und ein funktionierendes Entsorgungssystem über den Leukbach.
Nachhaltigkeit und Ökologie
Die regionale Bierproduktion war in ihrer Struktur erstaunlich ökologisch. Sie nutzte lokale Rohstoffe, verzichtete auf weite Transporte und erzeugte kaum Abfall. Die Treberreste dienten als Tierfutter, Asche und Hefeschlämme wurden kompostiert. Damit ist das römische Bierbrauen ein frühes Beispiel nachhaltiger Landwirtschaft – ein Prinzip, das in Borg im Rahmen der heutigen Forschung wiederbelebt wird.
Experimentelle Archäologie in der Villa Borg
Archäologen und Wissenschaftler rekonstruieren in der Villa Borg antike Brauverfahren, um die Funktionsweise und chemischen Eigenschaften der alten Biere zu verstehen. Die Experimente bestätigen: Ohne Hopfen entstehen Biere mit weichem Mundgefühl, geringem Alkoholgehalt und deutlicher Kräuternote. Ihre Haltbarkeit liegt zwischen drei und fünf Tagen – genug für den täglichen Bedarf eines Gutshofes.
Ein ökologischer Kreislauf am Leukbach
Das Wasser des Leukbachs war klar, mineralreich und wohltemperiert – ideal für die Maische. Abwässer wurden über Gräben abgeleitet, organische Rückstände kompostiert. Die antike Brauerei arbeitete somit in einem Kreislauf, der heute als zero waste gelten würde: kein Plastik, keine Verpackung, nur Schwerkraft und Geduld.
Schlussbetrachtung
Das Bier der Römer im Norden war mehr als ein Getränk. Es war Ausdruck von Anpassung, Innovation und Umweltverständnis. Die Villa Borg steht sinnbildlich für diesen Wandel – ein Ort, an dem sich Technik, Kultur und Natur zu einem nachhaltigen System verbanden. Wer heute über die Anlage geht, hört das Rauschen des Leukbachs und ahnt: Es war das Wasser selbst, das die Geschichte schrieb.
Text: Alfred Regler · Villa Borg Chroniken 2025 · Kulturstiftung Merzig-Wadern
Wein versus Bier im Römischen Reich: Eine differenzierte Betrachtung
Obwohl die Römer, auch in den Provinzen, Wein bevorzugten, belegt durch den massiven Import im gesamten Reich, gibt es archäologische Belege für die Bierherstellung in den nördlichen Provinzen.
Inwieweit die römischen Bewohner dieser Gebiete Bier anstelle von Wein konsumierten, bleibt keine Spekulation.
Auch die Frage, ob Bier in den nördlichen Provinzen (im Gegensatz zu Ägypten) Teil der Militärrationen war, lässt sich aufgrund fehlender schriftlicher Quellen nur vermuten.
Eine Ausnahme bildet ein Schreibtäfelchen aus Vindolanda, das eine Bierlieferung anfordert.
Bier: Der "Wein der Armen"
Der Preis von Bier variierte stark je nach Provinz und Epoche. Im 1. Jahrhundert n. Chr. konnte man beispielsweise in Vindolanda 27,5 Liter, in Hermopolites 72 Liter, aber in Tebtynis nur 8,7 Liter Bier für einen Sesterz kaufen.
Dennoch war Bier generell zwei- bis viermal günstiger als Wein schlechtester Qualität, weshalb es oft als "Wein der Armen" bezeichnet wurde.
Verschiebung der Präferenzen im Rheinland
In flavischer Zeit kam der Import von Weinamphoren ins Rheinland fast zum Erliegen.
Dies könnte darauf hindeuten, dass die Militäreinheiten am Rhein zunehmend aus nicht-römischen Mannschaften bestanden und die Nachfrage nach Wein sank.
Es stellt sich die Frage, ob lokales Bier den Wein ersetzte. Der Archäologe Clive Bridger vermutet, dass eher die Besatzungsmacht ein lokales Getränk (Bier) übernahm, anstatt dass die einheimische Bevölkerung das beliebte Getränk der Besatzungsmacht (Wein) annahm.
Vielfalt römischer Biersorten
Die Römer kannten verschiedene Biersorten:
Ägyptisches Gerstenbier: Zythum
Spanisches Weizenbier: Caelia, Cerea
Dalmatinisches Gerstenbier: Camum
Gersten- oder Weizenbier: Sabaia
Gallisches Bier: Cervesa
Für das römische Germanien nennt Bridger spezifisch Cerves(i)a/Cervis(i)a und Camum. In Spanien, Gallien und Norditalien (keltische Gebiete) wurde Bier in verschiedenen Sorten gebraut und ersetzte vermutlich den Wein.
Bierbrauen ohne Hopfen und die Suche nach Haltbarkeit
Antikes Bier wurde ohne Hopfen gebraut. Vor der Entdeckung der konservierenden und geschmacksgebenden Eigenschaften von Hopfen war es schwierig, Bier lange frisch zu halten, da es einen deutlich geringeren Alkoholgehalt als Wein besaß. Plinius der Ältere berichtete von einer spanischen Methode zur Haltbarmachung von Bier, ohne diese jedoch näher zu erläutern.
Kräuterzusätze zur Geschmacksverbesserung
Ohne Hopfen hatte das Bier einen eher muffigen, säuerlichen oder geschmacklich uninteressanten Charakter.
Daher wurden verschiedene Kräuterzusätze verwendet.
Botanische Nachweise solcher Kräuter wurden an der niederländischen Küste aus der frühen römischen Periode gefunden.
Gagel (Myrica gale) wurde an mehreren römischen Stätten innerhalb und außerhalb des Limes nachgewiesen.
Da Gagel jedoch keine langfristige Konservierung ermöglichte, ist davon auszugehen, dass Bier vor Ort hergestellt und direkt konsumiert wurde. Weitere Zusätze waren Eichenrinde, Myrte, Mädesüß und Johanniskraut.
Eigenproduktion und Getreidesorten
Es wird angenommen, dass Bier häufig in Eigenproduktion hergestellt wurde. Als Getreide wurden zunächst Gerste, aber auch Nacktweizen (Triticum), Hirse, Vogelhirse, Hafer und Einkorn (Olyra) verwendet. Für die Provinzen wird zudem ein Bier erwähnt, das aus Brot, also aus Gersten- oder Weizenfladen, hergestellt wurde, ähnlich den Gegebenheiten im alten Ägypten. Es ist davon auszugehen, dass in den weinarmen Provinzen deutlich mehr Bier getrunken wurde, als die wenigen archäologischen Nachweise vermuten lassen.
Herstellung von Bier in römischer Zeit
Die Bierherstellung in römischer Zeit umfasste folgende Schritte:
Keimung des Getreides: Getreide (Weizen, Gerste, Hirse, Hafer oder Einkorn) wurde zum Keimen gebracht.
Umwandlung von Stärke: Die Stärke des gekeimten Getreides wurde in Dextrin und dann in Zucker umgewandelt.
Gärung: Hefen vergärten den Zucker zu einem alkoholischen Gebräu.
Da Hopfen in antiken Bieren bisher nicht nachgewiesen werden konnte, geht man von obergäriger Brautechnik aus. Dies führte zu Bieren ohne bitteren Geschmack, aber auch zu einer geringen Stabilität.
Darre und die Rolle der Frau
Der Keimvorgang wurde durch schonendes Erhitzen in einer Darre (Trocknungsanlage) unterbrochen. Bei Fehlern in diesem Prozess entstanden statt Malz verkohlte Getreidekörner. Mehrere antike Autoren erwähnen, dass das Bierbrauen, ähnlich dem Brotbacken, in den ersten Jahrhunderten n. Chr. zu den Aufgaben der Frau gehörte.
Brautechnik, Gärung und Ökologie in der Antike
Die Römer bevorzugten grundsätzlich Wein. Das gilt auch für die nördlichen Provinzen, und es ist durch den massiven Import von Weinamphoren belegt. Doch es gibt archäologische Quellen, die bezeugen, dass in Gallien, Germanien und Norditalien Bier gebraut wurde. In den Wirtschaftsräumen der Villa Borg finden sich Spuren, die darauf hindeuten, dass Bier hier ein lokales Produkt des täglichen Lebens war – der Wein der Armen.
Bier – der Wein der Armen
Überliefert ist, dass der Preis für Bier stark variierte. In Vindolanda kostete im 1. Jh. n. Chr. ein Sesterz rund 27 Liter, in Ägypten bis zu 72 Liter. Der Wein war dagegen zwei- bis viermal teurer, selbst in minderer Qualität. Bier war das Getränk der einfachen Schichten – nicht symbolisch, sondern ökonomisch. Es war Nahrung, Lohn und Trost zugleich.
Römische Sortenvielfalt
Die Römer kannten verschiedene Bierarten: zythum (ägyptisches Gerstenbier), caelia und cerea (spanisches Weizenbier), camum (dalmatisches Gerstenbier), sabaia (Weizen- oder Gerstenbier) und das cervesa der Gallier. Der Archäologe Clive Bridger nahm an, dass die römischen Truppen an Rhein und Mosel nach und nach den lokalen Geschmack übernahmen – nicht die Bevölkerung den Wein der Römer, sondern die Römer das Bier der Gallier.
Die Brauökologie des Nordens
In den Provinzen, wo Reben kaum wuchsen, nahm Bier die Rolle des Weins ein. Es wurde aus regionalem Getreide gebraut – Gerste, Emmer, Einkorn, Hirse, Hafer – und stets vor Ort getrunken. Hopfen war unbekannt, weshalb das Bier schnell verdarb. Man arbeitete obergärig, mit frischer Hefe und offener Gärung.
Um Haltbarkeit und Geschmack zu verbessern, kamen Kräuter zum Einsatz: Gagel (Myrica gale), Mädesüss, Johanniskraut, Myrte oder Eichenrinde. Solche Zusätze gaben Aroma und milden Schutz vor Verderb. Botanische Nachweise stammen von Fundplätzen an der niederländischen Küste und innerhalb wie außerhalb des Limes.
Herstellung und Technik
Das Verfahren war im Grunde einfach, doch empfindlich. Das Getreide wurde angekeimt, bis die Stärke in Zucker überging. Dann stoppte man den Keimvorgang in der Darre – einem Trocknungsraum über Feuer. Wurde zu stark erhitzt, verbrannte das Korn; wurde zu schwach getrocknet, gärte es faul. Das gedarrte Malz wurde zerkleinert, mit warmem Wasser vermischt und langsam erhitzt. Die Gärung setzte durch wilde Hefen ein – ein Prozess, den man „die Arbeit der Luft“ nannte.
Frauen als Braumeisterinnen
Mehrere Autoren berichten, dass das Bierbrauen Aufgabe der Frauen war. Wie beim Brotbacken gehörte es zur täglichen Versorgung. Manchmal wurde sogar Brot in Wasser eingelegt, um daraus Bier zu gewinnen – eine Methode, die man heute aus Ägypten kennt. Die Küche der Villa Borg hätte also genauso gut eine Braustätte sein können.
Das ökologische Prinzip
Das römisch-keltische Bier war ein lokales Produkt. Es verschwendete keine Ressourcen, nutzte regionale Pflanzen und benötigte kaum Transport. So gesehen war der Römersud der Villa Borg ein frühes Beispiel nachhaltiger Produktion – ein Getränk im Kreislauf der Natur: Wasser aus dem Leukbach, Getreide vom Hochwald, Kräuter aus dem Garten. Heute würde man es Klimabier nennen.
Wissenschaftlicher Nachhall
Plinius der Ältere schrieb, dass die Spanier eine Methode zur Haltbarmachung des Bieres gefunden hätten, „deren Geheimnis verborgen blieb“. Vielleicht war es nur eine Mischung aus Gagel und Geduld. In der Villa Borg wird dieses Rätsel weiter erforscht. Die Experimente mit alten Rezepturen zeigen: Auch ohne Hopfen und High-Tech entsteht ein Getränk, das Geschichte schmecken lässt.
Text: Alfred Regler · Villa Borg Chroniken 2025 · Kulturstiftung Merzig-Wadern

Kommentare