5. Fazit – wie realistisch sind die Ziele wirklich?
1. Ausgangspunkt – Papier gegen Praxis
Das Projekt HyStarter Perl ist ein Teil der Bundesinitiative „HyLand“, finanziert vom Bund (BMVD) und begleitet von der NOW GmbH (Nationale Organisation Wasserstoff).
Das Ziel klingt groß: grüner Wasserstoff für die Region Saar-Lor-Lux.
Aber – und das ist entscheidend –:
👉 HyStarter ist eine Konzeptstufe, keine Baustufe.
Das heißt: Bis 2025 sind Pläne, Gutachten, Karten, Studien fertig.
Ab 2026 geht’s in Richtung Umsetzung – aber erst mit privaten Investoren, Fördermitteln und Industriepartnern.
So weit, so gut – aber Papier bringt noch keine Moleküle.
2. Realismuscheck der Zielmarken (2028 / 2030)
| Ziel laut Konzept | Stand 2025 | Realistische Einschätzung |
|---|---|---|
| 70 MW Elektrolyseanlage Lhyfe Perl | Standort gesichert, Konzept vorgelegt, Bauantrag in Vorbereitung | Realistisch, aber Inbetriebnahme eher 2028/2029, nicht 2027 |
| 30 t grüner H₂ pro Tag | technisch machbar, aber nur mit ausreichend Ökostrom (PV+Wind) | möglich, wenn Netzanbindung gelingt |
| Anschluss an MOSAHYC-Pipeline | Trassenverlauf bestätigt, Genehmigung läuft | realistisch, Anschluss um 2029 |
| Regionale Abnehmer (Industrie, Mobilität, Heizung) | noch kaum vorhanden, keine Tankstelle, keine Großabnehmer | kritisch: Abnehmerstruktur fehlt |
| Lokale Energie-Autarkie für Teilregion Perl/Borg | theoretisch im Bericht vorgesehen | nicht vor 2032+, wenn Wärme- & Netzintegration steht |
Kurz gesagt:
Die Zielsetzungen sind technisch möglich, aber zeitlich optimistisch.
Perl ist realistisch betrachtet 5–7 Jahre von einer funktionierenden Wasserstoffwirtschaft entfernt.
3. Technische Machbarkeit
Es spricht viel dafür, dass der Aufbau funktioniert – aber in Etappen.
✅ Pro:
-
Perl liegt strategisch günstig: Nähe zu Frankreich & Luxemburg (beide mit Wasserstoffstrategien).
-
Lhyfe als Partner hat Erfahrung (z. B. Projekte in Frankreich, 20–100 MW).
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MOSAHYC-Pipeline entsteht parallel, was Transport ermöglicht.
-
Landesregierung & EU fördern aktiv den Energie-Korridor entlang Saar-Mosel.
❌ Contra:
-
Ökostrom fehlt: Um 70 MW Elektrolyse zu betreiben, braucht es mindestens 100 MW Photovoltaik oder Windstrom dauerhaft.
→ Das Saarland hat aktuell nur ca. 35 % davon verfügbar. -
Bürokratische Genehmigungen dauern (Bau, Sicherheit, Wasserrecht, Naturschutz).
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Kein stabiler Wasserstoffmarkt: Preise, Verträge, Speicher sind noch in Entwicklung.
-
Fachkräfte & Lieferketten (für Elektrolyseure, Kompressoren etc.) sind knapp.
4. Politische und wirtschaftliche Realität
Politik und Wirtschaft betonen Wasserstoff als „Zukunftsthema“.
Das stimmt – aber die Umsetzung braucht Geduld, Geld und Pragmatismus.
Bundesweit:
-
Das 10 GW-Ziel bis 2030 (grüner H₂) ist ambitioniert.
Derzeit: < 1 GW real installiert. -
Jede neue Anlage muss mit EEG-Strom und Herkunftsnachweis arbeiten – das limitiert Geschwindigkeit.
Für Perl:
-
Der Standort hat Wettbewerbsvorteile: Dreiländereck, Logistik, offene Flächen.
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Aber auch Wettbewerb: Luxemburg, Trier, Dillingen, Saarbrücken wollen ebenfalls H₂-Zentren werden.
-
Wirtschaftliche Nachfrage muss sich erst entwickeln – also kein Selbstläufer.
5. Fazit – wie realistisch sind die Ziele wirklich?
| Kriterium | Bewertung | Kommentar |
|---|---|---|
| Technisch | 🟢 Realisierbar | Elektrolyse, Speicherung, Pipeline alles machbar |
| Zeitlich | 🟡 Ambitioniert | Eher 2028–2030 als 2026–27 |
| Ökonomisch | 🟠 Abhängig von Förderung & Industrie | Ohne Nachfrage kein Markt |
| Politisch | 🟢 Gute Unterstützung | Landesregierung + EU treiben Thema an |
| Regionaler Nutzen | 🟢 Mittel- bis langfristig | Lokale Jobs, Energiekompetenz, Imagegewinn |
Unterm Strich:
Das Projekt ist realistisch, aber kein Schnellstart.
Wenn man ehrlich bleibt, kann Perl bis 2030 ein funktionsfähiges Wasserstoff-Drehkreuz werden –
aber nicht in drei Jahren eine „grüne Energieinsel“.
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