„Die Vergangenheit ist nie tot. Sie wartet nur im Schatten des Internets.“
Die Sage vom Goldzahn des Bacchus
Kapitel 2: Das digitale Orakel
Jahrhunderte vergingen. Die Villa Borg wurde zu einem Ort der Steine und stummen Mosaike, doch die Legende des Bieres lebte im Flüstern des Leukbachs weiter. Bis eines Tages ein junger Archäologe namens Lukas auf der Website www.villa-borg.com stöberte. Zwischen Bildern zerbrochener Amphoren entdeckte er ein unscheinbares Foto: ein uralter Goldzahn, gefunden im Schlick des Leukbachs, verziert mit dem Symbol des Bacchus – einer Traube, aus der statt Wein Blut zu tropfen schien.
Die Unterschrift lautete:
„Römischer Goldzahn, 3. Jh. n. Chr. – Fundort unbekannt.aud schiffels ? Besuchen Sie unsere Sonderausstellung!“
Doch als Lukas die Seite neu lud, war das Bild verschwunden. Stattdessen erschien eine Botschaft in altertümlicher Schrift:
„Wer den Zahn findet, trifft auf die Schuld der Ahnen.“
Von Neugier getrieben, reiste Lukas ins Leukbachtal. Mit einem Metalldetektor durchkämmte er das Ufer, bis ein schrilles Piepen ihn zu einer moosbedeckten Steinstatue führte – Gaius Crassus, versteinert und mit geöffnetem Mund. In seinem Kiefer fehlte ein Zahn.
Als Lukas den Goldzahn aus seiner Tasche zog (woher er ihn hatte, wusste er selbst nicht mehr), begann er zu glühen. Plötzlich rauschte der Leukbach rückwärts, und die Nymphe Leukia stieg aus dem Wasser, ihr Antlitz von Zorn gezeichnet:
„Du trägst das Zeichen des Verräters! Warum suchst du ihn – Reichtum? Ruhm? Oder bist du rein wie der Quell?“
Lukas, zitternd, hielt den Zahn hoch: „Ich will nur die Wahrheit wissen. Warum wurde er bestraft? Und … warum sieht dieser Zahn aus wie meiner?“
Er öffnete den Mund – und tatsächlich: In seinem eigenen Gebiss klaffte eine Lücke.
Leukia erstarrte. „Ah … das Schicksal spinnt seinen Faden weiter“, seufzte sie. „Crassus war dein Blut. Sein Geist sucht einen neuen Körper. Wirf den Zahn ins Wasser, oder setze ihn ein – doch wähle weise!“
Die Entscheidung
Lukas stand am Ufer, der Zahn brannte in seiner Hand. Auf seiner Smartphone leuchtete plötzlich www.villa-borg.com auf – die Seite zeigte ein Live-Bild seines Standorts, mit einer Countdown-Uhr: 5:00 Minuten.
In der Ferne hörte er Römer schreien, als würden Legionen aus der Zeit fallen. Gaius’ Statue bewegte die Lippen: „Setze mir den Zahn ein, Enkel … und ich schenke dir die Braukunst der Unsterblichen!“
Doch dann erinnerte sich Lukas an die alte Inschrift der Villa: „Hüte dich vor der Gier.“ Mit aller Kraft warf er den Goldzahn in den Leukbach. Das Wasser schäumte rot, dann klar – und ein letzter Seufzer der Nymphe flüsterte: „Du hast bestanden.“
Als Lukas am nächsten Tag zur Villa Borg zurückkehrte, fand er im Gästebuch der Website einen Eintrag – datiert auf 212 n. Chr.:
„Danke.“
– Marcus Valerius
Epilog
Der Goldzahn liegt heute in einer Vitrine der Villa Borg.
Doch Besucher schwören, dass er nachts leuchtet … und wer mit reinem Herzen vorbeigeht, hört das Rauschen des Leukbachs – und den Klang uralten Gelächters.
„Die Vergangenheit ist nie tot. Sie wartet nur im Schatten des Internets.“
― So spricht die moderne Sage
d das Blubbern eines Biers, das es noch nicht gibt.
„Alles ist Code. Sogar die Götter.“
― So raunt es im Darknet.
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