Die Geschichte der Villa Borg und die Umgebung der Römerstraße
Die Geschichte der Villa Borg und die Umgebung der Römerstraße
Einleitung
Die Römische Villa Borg, gelegen zwischen Borg und Oberleuken in der Gemeinde Perl im Saarland, ist ein archäologisches Juwel, das einen einzigartigen Einblick in das römische Landleben bietet. Diese Villa rustica, eine der größten ihrer Art im Saar-Mosel-Raum, liegt in unmittelbarer Nähe zur antiken Römerstraße von Metz nach Trier, einem bedeutenden Abschnitt der Verbindung zwischen Marseille und Köln. Ihre Geschichte ist nicht nur ein Zeugnis römischer Architektur und Lebensweise, sondern auch ein Spiegel der kulturellen und historischen Entwicklungen der Region, die von der Jungsteinzeit bis zur Neuzeit reichen. Dieser Essay beleuchtet die Geschichte der Villa Borg, die Bedeutung der Römerstraße, die historische Entwicklung des nahegelegenen Oberleuken und die Rolle des Bierbrauens in der antiken Kultur der Region.
Die Römische Villa Borg: Ursprung und Rekonstruktion
Die Römische Villa Borg wurde im 1. Jahrhundert n. Chr. von einem wohlhabenden, romanisierten Kelten gegründet, wie Dr. Bettina Birkenhagen, die archäologische Leiterin der Grabungsstätte, vermutet. Mit einer Fläche von etwa 7,5 Hektar zählt sie zu den größten Villenanlagen im Saar-Mosel-Raum. Die Villa war ein typisches römisches Landgut (villa rustica), bestehend aus einem Herrschaftsbereich (pars urbana) mit luxuriösen Wohnräumen und einem Wirtschaftstrakt (pars rustica) für landwirtschaftliche Aktivitäten wie Ackerbau, Viehzucht und Bierbrauen. Ihre Blütezeit erlebte die Anlage im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr., bis sie durch Germaneneinfälle teilweise zerstört und im 4. Jahrhundert endgültig aufgegeben wurde.
Die Entdeckung der Villa geht auf den Lehrer Johann Schneider zurück, der um 1900 erste Mauerreste und römische Keramik fand. Systematische Ausgrabungen begannen jedoch erst 1987, angestoßen durch Raubgrabungen und die geplante Erweiterung der Autobahn A8. Seitdem hat die Kulturstiftung Merzig-Wadern in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Konservatoramt und der Gemeinde Perl die Anlage nicht nur ausgegraben, sondern auch rekonstruiert. Heute umfasst die Villa ein Herrenhaus, ein Villenbad, eine Taverne, eine Küche und Gartenanlagen, die auf Pollenanalysen und antiker Literatur basieren. Die Rekonstruktionen sind so präzise, dass Besucher das Gefühl haben, in die römische Zeit zurückversetzt zu werden. Mit etwa 50.000 Besuchern jährlich ist die Villa Borg ein bedeutendes touristisches und edukatives Zentrum.
Bierbrauen in der Villa Borg
Bierbrauen war in der Antike, insbesondere bei den Kelten und romanisierten Gemeinschaften, eine weitverbreitete Praxis. Archäologische Funde in der Region, wie Getreidereste und Keramikgefäße mit Spuren von Gerste und Hefe, deuten darauf hin, dass in der Villa Borg Bier produziert wurde. Die Kelten brauten ein Getränk namens cervesia, ein ungefiltertes Bier aus Gerste oder Dinkel, das oft mit Kräutern wie Beifuß oder Heide gewürzt wurde. In der Villa Borg könnte der Leukbach eine zentrale Rolle beim Bierbrauen gespielt haben, da sauberes Wasser essenziell für die Herstellung war.
Die Römer, die Wein bevorzugten, übernahmen die keltische Bierbrautradition in den nördlichen Provinzen wie Gallia Belgica, zu der die Region um Borg gehörte. In der Taverne der Villa Borg wurde vermutlich cervesia ausgeschenkt, die sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Handel entlang der Römerstraße produziert wurde. Die Wirtschaftsräume der Villa, insbesondere die pars rustica, boten ideale Bedingungen für die Lagerung von Getreide und die Fermentation. Moderne Experimente in der rekonstruierten Küche der Villa Borg haben gezeigt, dass antikes Bierbrauen mit einfachen Mitteln – wie tönernen Gärgefäßen und Holzfeuer – möglich war. Diese Praxis unterstreicht die Selbstversorgung und den wirtschaftlichen Wohlstand der Villa.
Die Römerstraße und ihre Bedeutung
Die Villa Borg liegt unmittelbar an der Römerstraße von Metz nach Trier, einem Abschnitt der großen Handels- und Militärroute zwischen Marseille und Köln. Diese Straße war ein zentraler Bestandteil der römischen Infrastruktur und ermöglichte den Transport von Gütern, Truppen und Informationen. Die strategische Lage der Villa in der Nähe dieser Route unterstreicht ihre wirtschaftliche Bedeutung, da landwirtschaftliche Überschüsse, einschließlich Bier, an römische Legionen in Trier oder die Zivilbevölkerung verkauft werden konnten.
Die Römerstraße war nicht nur eine Verkehrsader, sondern auch ein kultureller Kanal, der den Austausch von Ideen, Technologien und Gütern förderte. In der Region SaarLorLux, dem Dreiländereck von Deutschland, Frankreich und Luxemburg, sind über 50 römische Fundstellen bekannt, was auf eine hohe Besiedlungsdichte hinweist. Die Villa Borg war Teil eines Netzwerks von Villen, darunter die Villa von Nennig mit ihrem berühmten Mosaikfußboden, die ebenfalls an dieser Route lag. Die Nähe zur Römerstraße machte die Villa zu einem Knotenpunkt für Handel und Kommunikation, was ihren Wohlstand und ihre kulturelle Bedeutung verstärkte.
Oberleuken: Eine historische Perspektive
Oberleuken, in dessen Nähe die Villa Borg liegt, hat eine Siedlungsgeschichte, die bis in die Jungsteinzeit zurückreicht. Archäologische Funde wie Werkzeuge und Keramikscherben belegen eine Besiedlung vor über 4.000 Jahren, und ein keltisches Gräberfeld, entdeckt 1997, unterstreicht die keltische Präsenz in der Region. Der Name „Oberleuken“ leitet sich vermutlich vom althochdeutschen „luica“ ab, was „Siedlung am Leukbach“ bedeutet.
Im Mittelalter war Oberleuken eine eigenständige Pfarrei mit der St. Gangolf-Kirche, die eine zentrale Rolle im Gemeindeleben spielte. Eine Besonderheit war die Teilung des Ortes durch den Leukbach, der als Grenze zwischen dem Kurfürstentum Trier und dem Herzogtum Lothringen diente. Diese Teilung führte zu unterschiedlichen administrativen Zuständigkeiten, was die lokale Geschichte prägte. Mit der Auflösung des Herzogtums Lothringen 1766 fiel der lothringische Teil an Frankreich, und nach der Französischen Revolution wurde das gesamte Saargau-Gebiet 1797 in die Französische Republik integriert. Die endgültige Vereinigung des Dorfes erfolgte 1830 nach dem Wiener Kongress.
Während des Zweiten Weltkriegs erlitt Oberleuken schwere Zerstörungen, insbesondere durch Kämpfe am Orscholzriegel, einem Teil des Westwalls. Die Pfarrkirche St. Gangolf und viele Wohnhäuser wurden zerstört, aber bis 1954 erfolgte der Wiederaufbau. Ein Soldatenfriedhof mit 130 deutschen und 16 amerikanischen Soldaten sowie eine deutsch-amerikanische Gedenkstätte erinnern an diese Zeit.
Schlussfolgerung
Die Römische Villa Borg und die Römerstraße sind untrennbar mit der Geschichte Oberleukens verbunden. Die Villa repräsentiert das römische Erbe, einschließlich der keltisch-römischen Bierbrautradition, während die Römerstraße die wirtschaftliche und kulturelle Vernetzung der Region verdeutlicht. Oberleuken selbst spiegelt die Kontinuität menschlicher Besiedlung und die komplexen politischen Veränderungen wider, die die Region über Jahrtausende geprägt haben. Die Rekonstruktion der Villa Borg und die fortlaufenden archäologischen Forschungen machen diesen Ort zu einem lebendigen Zeugnis der Vergangenheit, das Geschichte greifbar macht.
Kommentare